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2  =  3

mar vicente, anja nowak & arnold berger

@das T/abor

opening october 17th 2017, 7 pm

duration october 18th to october 21st 2017

2=3

von franziska zaida schrammel

drei künstler_innen erschaffen einen raum, wo sich kreise und quadrate überschneiden, zerwürfeln, verfüssigen und neu positionieren. die grundformen sind hier bedeutungsträger für andere ideen, emotionen, erinnerungen und refexionen. sie werden zu komplizen im experimentieren mit fotografe, malerei, skulptur und video.

 

vielleicht denken wir bei der unmöglichen gleichung 2=3 auch an die quadratur des kreises. das unlösbare problem der mathematik, d.h. aus einem gegebenen kreis in wenigen schritten ein quadrat mit demselben flächeninhalt zu konstruieren, soll hier nicht entschlüsselt werden.

es geht aber ebenfalls um experimente mit geometrischen mitteln, um künstlerische versuche gängige logiken und alltägliche objekte und symbole leichtfüßig ins schwanken zu bringen;

versuche anders zu denken, anders wahrzunehmen. michel focault sieht diese versuche als „verändernde erprobung seiner selbst und nicht als vereinfachte aneignung des anderen zu zwecken der kommunikation.“

mar vicente arbeitet mit reduzierten und klassischen mitteln der malerei (leinwand und farbe) und skulpturalen holzkonstruktionen, um das zweidimensionale tafelbild zu dekonstruieren. Ihre gleichzeitig schlichten und komplexen kompositionen zeigen uns, was aus einem quadrat entstehen kann.

anja nowak denkt das quadrat weiter und entdeckt in ihren minimalistischen fotografen und video den würfel bzw. dessen deformierung als untersuchungsobjekt für sich. mar vicente's serie „zerwürfeln“ könnte anja nowaks arbeiten den titel leihen.

im video eines sich drehenden schwarzen würfels, innerhalb eines an der wand schwebenden schwarzen acrylglaswürfels präsentiert, beobachten wir eine schattenfigur in bewegung. der magisch wirkende loop wird durch schwarzblenden unterbrochen, um den verwandlungsprozess bewusst zu machen. die analogen fotografen fangen die schwarzen amorphen gebilde für einen moment ein. sie könnten auch die schatten von vicentes würfeln sein.

arnold berger lotet das unendliche potenzial des kreises als krug malerisch und im videoformat aus. die malerische serie der krugarbeiten auf glas und hinter glas zeigt schablonenartige gefäße, deren zentrum der kreis ist. der krug könnte über seine vielen symbolischen bedeutungen und die geschichte derm bis ins altertum zurück erzählen. er könnte aber auch ein gefäß für „füssige mehrdeutige erscheinungen“ laut merleau-ponty sein, die ein tiefergehendes sehen und verstehen versinnbildlichen.

in der videoanimation (auch ein loop) beginnen tropfen durch zwei statische schwarze kreise nach unten zu tropfen und nach unten hin auszurinnen. die schwarze flüssigkeit bedeckt den boden des videoraumes.

die verfüssigung der kreise greift diese „füssigen mehrdeutigen erscheinungen“ wieder auf. hinter dieser bewegung, in dem prozess des 'in die form und aus der form kommens', steckt auch ein prozessuales verständnis des menschlichen seins, dem subjekt im werden nach gilles deleuze.

allen arbeiten gemeinsam ist die transformation der grundformen, deren befreiung von bedeutungen und nutzen, hin zu projektionsobjekten für individuelle betrachtungsweisen.

die arbeiten ermöglichen sanfte „erfahrungen signifkanter überschüsse“ nach maurice merleau-ponty. dieses überraschungsmoment holt die betrachter_in zu sich selbst in den körper zurück. bilder (oder andere kunstwerke), die das sehen, die wahrnehmung an sich spürbar machen, die ein „zu-sehendes“ sichtbar machen, sind für merleau-ponty in einer zwischensphäre angesiedelt, die uns im bilde sein lässt. sie rütteln unser bewusstsein wach und die in uns tief verankerten starren wahrnehmungsmuster auf. philosophin antje kapust erkennt darin „wie sehr wir in den klassischen strukturen eines cartesianischen universums mit seinem primat des cogito und der spaltung von subjekt und objekt befangen sind.“

die „künstlerischen objekte“, wie sie mar vicente selbst nennt, erfordern genau in diesem sinne eine aktive betrachter_in, die sich die möglichen multiplen ansichten durch bewegung im raum erobert. jedes werk enthält in sich weitere geometrische figuren, fragmentiert durch den einsatz der primärfarben rot, blau, gelb und grün. die gegensatzpaare treten in vicentes malerischer ordnung immer getrennt auf, leuchten um die wette, und verzerren so dimensionen, volumen und schatten.

die klaren farben wirken als verführendes element in einem prozess der optischen täuschungen. ihr effekt auf unser sehvermögen enthält ein selbstrefexives moment, wie olafur eliasson einmal ausgeführt hat: „the unique fact that color only materializes when light bounces off a surface onto our retinas shows us that the analysis of colors is, in fact, about the ability to analyze ourselves.“ die in seinen arbeiten vermittelte prozesshaftigkeit des sehens bzw. des seins wird auch in den positionen anja nowaks und arnold bergers deutlich.

innerhalb dieses prozesses der erfahrung und selbstbeobachtung, in verbindung zu merleau-ponty, kann auch ein gleiten zwischen subjekt und objekt evoziert werden. eliasson erläutert: „the spectator is being looked back at by the object – a reverval of the subject and the object“. wo stehe ich? wie positioniere ich mich in meiner umgebung und zu den anderen?

 

arnold berger, anja nowak und mar vicente gehen in ihren abstrakten studien neue wege der sinnlichen erfahrung und wahrnehmung. dabei streifen sie einander mehrmals. ihre unregelmäßigen geometrischen formvariationen berühren und ergänzen sich, ohne sich gegenseitig oder der betrachter_in aufzudrängen.

photos ©anja nowak

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